Ein würdevoller Ort des Abschieds
… Material - Proportion - Licht
Die Gemeinde Berg bei Neumarkt i.d.OPf. entschied sich Anfang 2016 für den Neubau einer Aussegnungshalle auf dem Grundstück des bestehenden Friedhofs. Nach dem das Projekt Anfang 2017 durch den Bauherrn gestoppt worden ist, begann Anfang 2019 die Wiederaufnahme der Planung. Durch die Einschränkungen der Covid-19-Pandemie und die Ergebnisse der Kommunalwahlen Mitte 2020 wurde der anfängliche Entwurfsgedanke geändert, geklärt und gestärkt.
Die Aufgabe, einen Raum für die Verabschiedung eines geliebten Menschen zu entwerfen, trieb die Architekten dazu, die essenziellen Stilmittel Material, Proportion und Licht gekonnt einzusetzen. Entstanden ist dadurch ein großzügiger Abschiedsraum, dessen Proportionen durch die Maßregeln des Golden Schnitts harmonisch wirken. Die Reduktion auf das Wesentliche zeigt sich auch in den verwendeten Materialien Beton und heimisches Holz.
Das neue Leichenhaus steht als Abschiedsraum für Menschen aller Bekenntnisse zur Verfügung und wirkt ohne sichtbare religiöse Symbole.
Entwurfskonzept
Der klare, reduzierte Abschiedsraum als Hauptraum der neuen Einrichtung spiegelt den Entwurfsgedanken der Konzentration auf das Wesentliche am besten wider.
Der rechteckige Grundriss öffnet sich zum überdachten Vorhof und Friedhof durch großzügige Glasflächen. Dem gegenüber sind im Andachtsbereich bewusst angeordnete Öffnungen mit schräg ausgestellten Betonflügeln. Hierbei sind Betonscheiben eingesetzt, die wie ausgestellte Flügel vor den Wandöffnungen angeordnet sind. Durch indirektes Licht werden wichtige Raumsituationen betont und unterbewusst wahrgenommen. Blicke nach außen werden so selbstverständlich Richtung Natur und Himmel gelenkt.
Im Aufbahrungsraum setzt sich diese Konzentration durch die indirekt belichtete, schräge Wandscheibe fort. Durch die reduzierte Raumhöhe und die vollständige Verkleidung mit Holz wird dieser Raum mit der Atmosphäre der Geborgenheit erfüllt.
Alle ästhetisch störenden Einbauten entfallen bei diesem Gebäude. Die Reduktion auf das Wesentliche schafft die notwendige Stimmung für den Abschied unserer Mitmenschen.
Alle dienenden Räume liegen im rückwärtigen Gebäudeteil. Der Zugang ist hierfür von außen möglich und für einen bestimmten Nutzerkreis vorbehalten.
Die Fassade ist aus Ortbetonwänden und vorgesetzten Betonfertigteilen gestaltet worden. Dabei sind Ortbetonflächen in Analogie gestockt worden. Die Fertigteile sind glatt geschalt. Die Gliederung und Definition der Gebäudekanten werden damit unterstrichen.
Das Gebäude ist als sakraler Baukörper definiert. Dadurch entfallen Anforderungen aus dem GEG. Auf Wärmedämmmaßnahmen an den Fassadenflächen konnte dadurch verzichtet werden.
Konstruktion
Die tragenden Wände sind als einschalige Stahlbetonkonstruktion mit Normalbeton auf einer tragenden Bodenplatte gegründet. Große Wandöffnungen werden durch wandartige Ortbetonträger überspannt. Die Decke ist ebenso als Stahlbetonkonstruktion mit sichtbarer, glatter Deckenuntersicht hergestellt.
Außenseitig sind zur Gliederung der Fassade und als Abschluss der Hüllfächen glatte Betonfertigteile als Sockel, Lisenen und Attika vorgesetzt.
Die Dachfläche ist mit der für die Entwässerung erforderlichen Gefälledämmung und einer Folienabdichtung bekleidet. Die extensive Begrünung ist als Systemaufbau auf der Abdichtungsfolie angelegt.
Material und Oberfläche
Wände und Decken sind in Ortbeton hergestellt. Dafür wurden die verwendeten Systemschalungselemte in ihrer Anordnung geplant und alle Schalungsfugen festgelegt. Anschließend sind die Wandoberflächen gestockt worden. Die Schalungsfugen zeichnen sich dadurch reduziert ab und sind nur bei genauem hinsehen erkennbar. Die gestockten Betonwandflächen sind anschließend mit Diamantbürsten bearbeitet worden, um die Rauigkeit zu reduzieren.
Als zweites Material wurde Eichenholz in natürlicher Form verwendet. Fensterrahmen, Türelemente, Wandverkleidungen und Sitzelemente ergänzen die Wandflächen und harmonisieren im Farbton und in Maserung mit dem vorhandenen Beton. Holzelemente betonen damit besondere Situationen am Friedhof und geben Orientierung und Rückzugsmöglichkeiten.
Gebäudetechnik
Das Gebäude wird über eine Luft-Wärmepumpe auf max. 8° Celsius beheizt. Die Frostsicherheit wird über eine temperierte Fußbodenheizung gewährleistet.
Zudem tragen dimmbare LED-Aufbauleuchten zu einem energiesparenden Unterhalt des Gebäudes bei.
Das Niederschlagswasser wird über die begrünte Flachdachfläche zeitverzögert in einen Sickerschacht eingeleitet und bleibt auf dem Grundstück.
Freiraumkonzept
Um das neue Gebäude haben wir den Garten der Stille und den neuen zentralen Friedhofsvorplatz geschaffen. Im Garten der Stille werden anonyme Beerdigungen stattfinden. Der Friedhof erhält damit den menschlichen Maßstab und dient zur Ruhe, Besinnung und Einkehr. Auf dem Vorplatz der neuen Aussegnungshalle werden vier Bäume Schatten spenden und die klare Gräberstruktur auflockern. Verschiedene Sitzgelegenheiten bieten den Besuchern die Möglichkeit des Treffens oder Ruhens.
Kenndaten
80 Sitzplätze für konfessionslose Verabschiedungsfeiern
drei Sargaufbahrungsplätze mit Kühlung
ein Seelsorgeraum
zwei öffentliche Toiletten
Nebenräume, Lager und Technik
Planungsbeginn September 2016
Projektstillstand bis 2020
Planungsfreigaben bis 2021
Baubeginn Ende Juli 2021
Fertigstellung Oktober 2022
1,629 Mio. Euro in KA aus Juli 2021
Text: KNYCHALLA+TEAM Architekten und Stadtplaner GmbH
Bilder: KNYCHALLA+TEAM Architekten und Stadtplaner GmbH
Entwurf, Bauleitung: KNYCHALLA+TEAM Architekten und Stadtplaner GmbH
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Weinzierl
Architektouren – was ist das?
Die Architektouren sind eine jährlich stattfindende Präsentation von gebauter Architektur in Bayern. Veranstaltet wird sie von der bayerischen Architektenkammer. Hierbei werden Planungen von sehr hoher Qualität ausgezeichnet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Immer am letzten Wochenende im Juni können die Bürger die kreativen und innovativen Bauten, die eine visionäre Architektur verwirklichen, besichtigt werden.
Dieses Jahr ist zum wiederholten Mal ein Projekt der Gemeinde Berg mit dem Neubau der Aussegnungshalle in dieser ausgezeichneten Klasse vertreten. Verantwortlich für die Planung ist Markus Kraus vom Architekturbüro Knychalla + Team.
Die Architekten sowie ihre Bauherrenschaft geben bei der Veranstaltung Auskunft über die Objekte und informieren alle Architekturinteressierten vor Ort. Die bayernweiten Architektouren registrieren Jahr für Jahr weit über 20.000 Besucherinnen und Besucher und sorgen für ein breites Medienecho.
Was wird gezeigt?
Bei den Architektouren werden unter anderem Neu- und Umbauten, Modernisierungen, Sanierungen, Innenräume, Renaturierungen, Parks, Grün- und Außenanlagen und vieles mehr gezeigt. Durch die Gespräche vor Ort erhalten die Besucherinnen und Besucher einen Einblick in die Bauabwicklung. So bekommen Architekturinteressierte einen Einblick in die Projekte und bekommen Verständnis für die Bauwerke.
Wo finde ich die Projekte der Architektouren?
Über die Homepage der Architektenkammer Bayern www.byak.de können die ausgewählten Projekte der Architektouren recherchiert werden.
Die Termine zur Besichtigung der Aussegnungshalle sind am Sonntag, 24.06.2023 von 11.00 bis 12.00h und von 13.00h bis 14.00h.